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Unzulässigkeit einer gestaffelten Wertfestsetzung

Eine zeitlich gestaffelte Wertfestsetzung ist unzulässig. Soweit sich die Anwaltsgebühren nach unterschiedlichen Werten richten, ist diese Wertfestsetzung dem Verfahren nach § 33 RVG vorbehalten (OLG Bremen, Beschluss vom 05.01.2022 – 2 W 56/21).

Sachverhalt

Der Kläger hatte zunächst einen Betrag in Höhe von 18.941,52 EUR eingeklagt. Vor der mündlichen Verhandlung hat er die Klage um 3.179,53 EUR zurückgenommen, so dass nur noch über den reduzierten Klageantrag verhandelt worden ist. Nach Abschluss des Verfahrens hat das Gericht den Streitwert auf 18.941,52 EUR festgesetzt. Hiergegen hat der Kläger Streitwertbeschwerde erhoben und geltend gemacht, dass der Wert gestaffelt festzusetzen sei, nämlich bis zur Rücknahmeerklärung auf 18.941,52 EUR und hiernach auf 15.761,99 EUR. Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und ausgeführt, dass eine teilweise Klagerücknahme auf den Streitwert für die Gerichtsgebühren keinen Einfluss habe und hat die Beschwerde dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Den hilfsweise gestellten Antrag des Klägers auf Festsetzung des Werts der anwaltlichen Tätigkeit hat das LG als unzulässig verworfen. Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen.

Entscheidung

Das LG habe zu Recht angenommen, dass die Höhe des für die Gerichtsgebühr maßgeblichen Werts durch die Klagerücknahme nach Klageerhebung unberührt geblieben sei. Die nach § 63 II 1 GKG zu treffende Wertfestsetzung ziele, wie sich aus dem Gesetzeswortlaut ergebe, alleine auf den Wert für die zu erhebende Gerichtsgebühr ab. Für den Wert dieser Gebühr komme es gemäß § 40 GKG aber auf den Wert des Streitgegenstands im Zeitpunkt der ihn betreffenden Antragstellung an. Eine teilweise Rücknahme nach Klageerhebung habe demnach keine Auswirkungen auf den für die Gerichtsgebühr festzusetzenden Wert (KG BeckRS 2018, 3426; OLG München NJW-RR 2017, 700), so dass zeitlich gestaffelte Festsetzungen für die Gerichtsgebühren wegen einer teilweisen Reduzierung des Streitwertes nicht zu erfolgen hätten (vgl. auch OLG Dresden NJW-RR 2019, 575 und BeckRS 2019, 269; Zöller-Herget, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 3 Rn. 8; NK-GK/N. Schneider GKG § 63 Rn. 64; BeckOK KostR/Jäckel GKG § 63 GKG Rn. 22). Die Streitwertfestsetzung durch die Kammer auf Grundlage des § 63 II GKG sei demnach nicht zu beanstanden. Soweit der Kläger das Interesse, eine Herabsetzung des Wertes für die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit zu erreichen, auch durch einen hilfsweise gestellten Antrag auf gesonderte Festsetzung gemäß § 33 I RVG verfolgt und das LG diesen Antrag durch weiteren Beschluss des Einzelrichters als unzulässig verworfen habe, sei gegen diese gesonderte Entscheidung eine – fristgebundene, § 33 III 3 RVG – Beschwerde nicht eingelegt worden, so dass offen bleiben könne, ob das LG diesen Antrag als zulässig hätte ansehen und den Wert für die Terminsgebühr gemäß § 33 I RVG gesondert hätte festsetzen müssen (so OLG München NJW-RR 2017, 700; KG BeckRS 2018, 3426; OLG Dresden BeckRS 2019, 269; NJW-RR 2019, 575).

Praxishinweis

Die Entscheidung des OLG ist zwar in einer Zivilsache ergangen; die Rechtslage in Familiensachen ist jedoch die gleiche. In einem gerichtlichen Verfahren wird für das Verfahren im Allgemeinen nur eine einzige Gerichtsgebühr erhoben. Lediglich der Gebührensatz divergiert nach Art und Ausgang des Verfahrens. In dem zugrundeliegenden Fall ist eine einzige 3,0-Gebühr nach Nr. 1210 GKG-KV angefallen (vergleichbar der 3,0-Gebühr nach Nr. 1220 FamGKG-KV in Familienstreitsachen). Wird aber nur eine einzige Gebühr erhoben, dann kann es auch nur einen einzigen Wert geben. Eine gestaffelte Wertfestsetzung ist daher unsinnig, da die Gerichtsgebühren nicht nach Zeitabschnitten erhoben werden (so auch OLG München NJW-RR 2017, 700; LG Stendal NJW-RR 2019, 703; LG Mainz BeckRS 2018, 24803). Eine Klagerücknahme oder anderweitige Erledigung des ursprünglichen Streitgegenstands führt daher auch nicht zu einer Ermäßigung der Gerichtsgebühr, da die Gerichtsgebühr mit Einreichung des Antrags anfällt und sich nach dem Wert bei Einreichung des Antrags richtet (§ 40 GKG; § 34 FamGKG). Hinzu kommt, dass sich aus einer solchen gestaffelten Wertfestsetzung ohne nähere Kenntnis des Akteninhalts der Gesamtwert gar nicht entnehmen lässt. Der Gesamtwert richtet sich nämlich nach dem Wert aller Gegenstände, die im Laufe des Verfahrens anhängig waren (§ 39 I GKG; § 33 I FamGKG). Wenn es zB zu Klageänderungen kommt, kann aus einer gestaffelten Wertfestsetzung der wahre Wert gar nicht ermittelt werden.

Beispiel: Geltend gemacht werden die Unterhaltsbeträge für Januar bis Oktober in Höhe von jeweils 1.000 EUR. Hiernach wird der Antrag hinsichtlich der Monate Januar bis April zurückgenommen und es werden zugleich die weiteren Monate November und Dezember geltend gemacht. Würde man hiernach den Wert nach Zeitabschnitten festsetzen, so wäre der Wert bis zur Antragsänderung auf 10.000 EUR festzusetzen (zehn Monate: Januar bis Oktober) und danach auf 8.000 EUR (acht Monate: Mai – Dezember). Der Verfahrenswert würde aber 12.000 EUR betragen, da insgesamt zwölf Monate zu 1.000 EUR anhängig waren.

Auch für die Anwaltsgebühren ist eine gestaffelte Wertfestsetzung nicht geboten, da sich auch die Anwaltsgebühren nicht nach Zeitabschnitten berechnen. Insoweit ist vielmehr eine gesonderte Wertfestsetzung nach § 33 I RVG zu beantragen (LG Mainz BeckRS 2018, 24803). Das hatte der Anwalt hier wohl erkannt und hilfsweise den Antrag auf Festsetzung des abweichenden Gegenstandswerts der Terminsgebühr gestellt. Insoweit ist nicht nachvollziehbar, wieso das LG diesen hilfsweise gestellten Antrag als unzulässig verworfen hat. Andererseits kann aber auch nicht nachvollzogen werden, dass der Anwalt gegen diese Ablehnung keine Beschwerde nach § 33 III RVG eingelegt hat. Auch gegen die Ablehnung des Wertfestsetzungsantrags ist die Beschwerde gegeben. Die Beschwer ergibt sich dabei schon allein aus der Zurückweisung des Antrags (OLG Hamm BeckRS 2020, 36781; OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2020, 16360).

Rechtsanwalt Norbert Schneider
Anwaltkooperation Schneider | Monschau