Anwaltsbeitrag / von

Verfahrenswert in Versorgungsausgleichsverfahren

Beim Verfahrenswert der Folgesache Versorgungsausgleich sind alle verfahrensgegenständlichen Anrechte zu bewerten und nicht nur die Anrechte, über die eine Entscheidung ergangen ist (OLG Celle, Beschl. v. 10.10.2022 – 15 WF 60/22).

Sachverhalt: Im Scheidungsverbundverfahren war auch die Folgesache zum Versorgungsausgleich anhängig. Betroffen waren insgesamt 13 Anrechte. Im Scheidungsbeschluss hat das Gericht nur über elf Anrechte entschieden, weil hinsichtlich zweier Anrechte kein Ausgleichswert vorhanden war. Ausgehend von dem dreifachen Nettoeinkommen der Eheleute i.H.v. 15.900,00 EUR hat das Gericht den Verfahrenswert auf 17.490,00 EUR festgesetzt. Die hiergegen erhobene Beschwerde hatte Erfolg.

Alle verfahrensgegenständlichen Anrechte sind zu berücksichtigen

Auf die erkennbar im eigenen Namen eingelegte, nach § 32 Abs. 2 RVG i.V.m. § 59 FamGKG zulässige Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers, der sich die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin angeschlossen hat, war die amtsgerichtliche Festsetzung des Verfahrenswertes bezüglich des Versorgungsausgleichs und des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens zu ändern. Zu Recht wendet die Beschwerdeführerin ein, dass für den Wert des Versorgungsausgleichs nach § 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG, wonach für jedes Anrecht 10 % des Dreimonatsnettoeinkommens der Ehegatten anzusetzen sind, im vorliegenden Fall nicht 17.490,00 EUR (für elf Anrechte), sondern vielmehr 20.670,00 EUR zugrunde zu legen sind, da die Ehegatten hier insgesamt über 13 Anrechte verfügten.

Entgegen der Auffassung des AG kommt es hier nicht darauf an, dass in der amtsgerichtlichen Endentscheidung zum Versorgungsausgleich lediglich über elf der 13 Anrechte entschieden wurde. Maßgeblich ist vielmehr, dass die R.E. GmbH über insgesamt vier Anrechte der Antragsgegnerin Auskünfte erteilt hatte (BVP Firmenbeiträge; BVP Beiträge Plus; BVP Mitarbeiterbeiträge; Zusatzleistung). Berücksichtigt hat das FamG hiervon zwar nur das erst- und das letztgenannte Anrecht, während es die beiden übrigen (deren Ausgleichswert vom Versorgungsträger jeweils mit 0,00 EUR angegeben worden war) weder im Tenor noch in den Gründen erwähnt hat. Der Versorgungsträger hatte jedoch ungeachtet des im Ergebnis nicht vorhandenen Ausgleichswertes auch für diese Anrechte eine Tenorierung ausdrücklich vorgeschlagen. Weil es sich um existente Anrechte handelte, wäre die vorgeschlagene Tenorierung zur Klarstellung, dass diese nicht übersehen wurden, auch geboten gewesen.

Da diese letztgenannten Anrechte damit Gegenstand des Versorgungsausgleichsverfahrens waren und bei zutreffender Sachbehandlung auch in der Endentscheidung zu bescheiden gewesen wären, ist auch für sie ein Wert nach § 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG zugrunde zu legen.

Unser Praxishinweis: Die Entscheidung ist zutreffend. Im Gegensatz zur früheren Regelung im GKG, wonach nur die auszugleichenden Anwartschaften beim Verfahrenswert berücksichtigt wurden, kommt es nach § 50 FamGKG nur darauf an, ob die Anrechte Gegenstand des Verfahrens waren. Es ist unerheblich, ob ein Ausgleich angeordnet wurde oder nicht. Daher ist ein Wert auch dann festzusetzen, wenn ein Ausgleich wegen kurzer Ehedauer, Geringfügigkeit oder vertraglichem Ausschluss nicht stattfindet oder wenn wir hier keine Ausgleichswerte vorhanden sind.

Rechtsanwalt Norbert Schneider, AGS 2/2023, S. 93