Familien- und Erbrecht / von

Ermittlung des Wohnbedarfs für den Trennungsunterhalt

Wieviel Geld benötigt der Unterhaltsberechtigte, um den Standard der ehelichen Wohnverhältnisse nach der Trennung aufrechtzuerhalten? Wie wirken sich dabei die durch den Auszug von Familienmitglieder eingetretenen Veränderungen aus?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine grundlegende Entscheidung zum Trennungsunterhalt gefällt (BGH, Beschl. v. 29.09.2021 – XII ZB 474/20).

Nach einer Trennung hat die unterhaltsberechtigte Person einen Anspruch auf Fortführung des ehelichen Lebensstandards. Für die Ermittlung des Wohnbedarfs sind laut BGH die Kosten zugrunde zu legen, die für die Anmietung einer in Ausstattung der Ehewohnung entsprechenden Unterkunft in angemessener Größe anfallen würden.

Mit anderen Worten: Der Standard der Ehewohnung ist der Maßstab für den Wohnbedarf bei der Berechnung des Trennungsunterhalts!

Sachverhalt:
Kinderreiche Juristenehe scheiterte nach über 20 Jahren

Die Eheleute waren Juristen und bekamen fünf Kinder. Nach über 20 Jahren trennten sie sich, vier Kinder blieben bei ihrer Mutter und die älteste Tochter zog aus. Nach der Trennung nahm die Ehefrau eine Teilzeittätigkeit (80 %) als Richterin am Oberverwaltungsgericht auf. Um ihren bisherigen ehelichen Lebensstandard aufrechtzuerhalten, forderte sie zukünftigen Trennungsunterhalt in Höhe von knapp 2.000 € monatlich sowie rückständigen Unterhalt in Höhe von knapp 30.000 €. Das Amtsgericht Potsdam entsprach ihrer Forderung teilweise, das Oberlandesgericht Brandenburg wies ihren Antrag hingegen insgesamt ab, weil sie mit ihren Bezügen ihren konkreten Bedarf selbst decken könne. Die Richterin wandte sich an den BGH – mit Erfolg.

Entscheidung des BGH:
Die Unterhaltsberechtigte habe nach § 1361 Abs. 1 Satz 1, § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Anspruch auf ihren bisherigen ehelichen Lebensstandard, so der BGH. Sie müsse darlegen, wie hoch dieser Bedarf (Größe und Ausstattung der Wohnung, Höhe der Miete samt Nebenkosten) sei. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts könne die Richterin von der Ausstattung der Ehewohnung ausgehen, den Auszug des Ehemanns und der Tochter berücksichtigen und die sich dann ergebenden – möglicherweise geringeren – Kosten als Maßstab für den Bedarf benennen. Maßgeblich ist laut dem BGH nicht die „Festschreibung“ des früheren Bedarfs, sondern dessen „Fortschreibung“ auf Basis des alten Standards unter Berücksichtigung von Änderungen. Der Wohnbedarf der Kinder bemisst sich den Karlsruher Richtern zufolge mit jeweils 20% des sich aus dem zusammengerechneten Einkommen beider Elternteile ermittelten Unterhaltsbedarfs. Das Oberlandesgericht muss nun erneut verhandeln.

Unser Praxishinweis:
Bei besonders guten Einkommensverhältnissen gibt es nach der Rechtsprechung grundsätzlich keine Obergrenze für den Unterhaltsbedarf. Da der Erfahrung nach bei sehr guten Einkommensverhältnissen nicht alles für den Lebensunterhalt ausgegeben, sondern ein Teil der Einkünfte für die Vermögensbildung aufgewandt wird, gehen die Gerichte überwiegend davon aus, dass ab einem bestimmten Betrag der Unterhaltsberechtigte seinen Bedarf nicht mehr aufgrund einer Halbteilung der beiderseitigen Einkünfte verlangen kann, sondern seinen Bedarf insgesamt mittels einer konkreten Bedarfsberechnung nachweisen muss.

Urlaub, Friseur und vieles mehr ...
Eine konkrete Bedarfsdarlegung beinhaltet in der Regel Positionen wie Wohnkosten und Wohnnebenkosten, Instandhaltungsrücklagen / Reparaturaufwendungen, Essen und Trinken, Anschaffungskosten für Hausrat, Restaurantbesuche, Kosten für Einladungen, Aufwand für Festlichkeiten, Kosten für kulturelle Veranstaltungen, Geschenke / Spenden, Kleidung (Anschaffung und Reinigung), Friseur, Kosmetik, Freizeitaktivitäten und vieles mehr. Die Höhe der einzelnen Bedarfspositionen kann durch Vorlage von Belegen zu den jeweiligen Kosten in der Vergangenheit konkretisiert werden.

Beachten Sie: Wichtig ist es, gut vorbereitet in die Diskussion um den Trennungsunterhalt zu gehen. Entwickeln Sie eine Strategie und bauen Sie Ihre Argumentationslinie auf. Immerhin geht es um viel Geld, das dem Lebensunterhalt dient und auf dass man kaum verzichten kann.