Familien- und Erbrecht / von

Nachehelicher Unterhalt: Begrenzung und Befristung des Unterhalts nach mehr als 23 Ehejahren

Wenn Frauen im Falle der Trennung durch die Kindererziehung und Haushaltsführung während der  Ehe einen sogenannten „ehebedingten Nachteil“ geltend machen wollen, müssen sie diesen auch darlegen können. Denn Ehefrauen und Mütter verpassen nicht in jedem Beruf automatisch eine Karriere – so wie die Physiotherapeutin des folgenden Falls vor dem Oberlandesgericht (OLG) Köln (OLG Köln, Beschl. v. 16.03.2021 – 14 UF 196/19).

Die Scheidung war kurz nach der Silberhochzeit, die die Eheleute aber schon nicht mehr feierten, weil sie bereits seit gut zwei Jahren getrennt waren. Von den drei Kindern war das Jüngste zu diesem Zeitpunkt 17 Jahre alt. Die nunmehr geschiedene Ehefrau, die Physiotherapeutin gelernt hatte und während des ehelichen Zusammenlebens überwiegend Hausfrau und Mutter war, fand dennoch nach der Trennung in ihrem erlernten Beruf eine Vollzeitstelle. Das Amtsgericht befand ein Drittel der Ehezeit als „Schonfrist“ für Nachscheidungsunterhalt als angemessen; eine Faustformel, von der man an Gerichten und von Anwälten oft hört.

Vor dem OLG verlangte die Frau jedoch lebenslang Unterhalt – mit der Begründung, dass die Rollenteilung während der Ehe einen „Karriereknick“ verursacht habe, so dass sie dauerhafte ehebedingte Nachteile habe. Hätte sie nicht geheiratet, hätte sie sich im Bereich Gesundheitswissenschaften fortgebildet und würde mittlerweile eine Führungsaufgabe in einem Krankenhaus, einer Reha-Klinik oder Pflegeeinrichtung ausüben. Alternativ hätte sie sich selbständig gemacht mit 60.000 EUR Gewinn.

Das OLG stützte sich auf die vom Bundesgerichtshof bekannten Kriterien zu § 1578b BGB (Kompensation ehebedingter Nachteile, nacheheliche Solidarität und Billigkeitsabwägungen, Darlegungs- und Beweislast) und fand, dass die Frau ihre ehebedingten Nachteile nicht ausreichend konkret dargelegt hatte. Allein die Tatsache, dass sie sich während der Ehe den Kindern und dem Haushalt gewidmet hatte, lasse nicht ohne weiteres auf einen ehebedingen Nachteil schließen. Denn als Physiotherapeutin sei sie in einem Fachgebiet tätig, in dem es keine klassischen Aufstiegschancen durch Fort- oder Weiterbildungen gebe, da es schon an einem hierarchischen Aufbau innerhalb einer Physiotherapiepraxis fehle. Der allgemeine Hinweis auf hypothetische Karrierechancen war dem OLG nicht konkret genug, denn Physiotherapeuten gehen nicht regelmäßig notwendigerweise im Laufe ihres beruflichen Daseins diesen Karriereweg und stehen aufgrund dessen finanziell stets besser da.

Das OLG befasste sich zudem mit der 1/3-Faustformel. Diese war dem OLG zu pauschal, es vermisste die konkrete Abwägung (Ehedauer, schützenswertes Vertrauen, wirtschaftliche Verflechtung, Belastung des Unterhaltspflichtigen, bereits gezahlter Trennungsunterhalt). So sprach das Gericht der Frau für fünf Jahre den vollen rechnerischen Unterhalt zu, dann schmolz der Unterhalt allmählich ab, bis acht Jahre nach der Scheidung endgültig Schluss war.

Unser Praxishinweis: Ein unbegrenzter und unbefristeter Unterhaltsanspruch kommt also auch bei einer Ehedauer von mehr als 23 Jahren – gerechnet bis zur Einreichung der Scheidung – und der Betreuung und Erziehung dreier gemeinsamer Kinder nicht automatisch in Betracht. An die nicht schriftlich normierte 1/3-Faustformel klammert die Praxis sich vor allem bei außergerichtlichen Verhandlungen. Denn es bleibt für andere Fälle das Problem, dass auch das hier vom OLG bezifferte Abwägungsergebnis rechnerisch nicht erklärlich ist und keine Handhabung für die Praxis in anderen Fällen bietet.